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ier möchte ich mich mit den Waffen des indischen Tigers beschäftigen und der Kraft die dieser bei der Jagd entwickelt als auch im allgemeinen besitzt. Ich werde zunächst die Primärwaffe des Tigers, sein Gebiss, genauer unter die Lupe nehmen. Um das zu verstehen von dem ich später berichten werde sollten wir uns zuerst mit den Benennungen vertraut machen die in der Dentologie gebräuchlich sind. Hier eine kleine Ausstellung: (siehe weiter unten)

Was die Schreibweise betrifft gilt die Regel, den jeweilig gemeinten Zahn, wie oben beschrieben, abzukürzen und mit dem Index seiner Position zu versehen. Sollte ein Zahn im Oberkiefer gemeint sein so wird der Positionsindex hochgestellt andernfalls tiefgestellt an die bisherige Bezeichnung des Zahnes angehängt.

Doch nun zur Beschreibung des Tigergebisses. Der Ober- und der Unterkiefer sind mit einem "Articulus cylindricus", oder auch Walzengelenk genannt, miteinander verbunden. Der Unterkiefer ist relativ lang und mit einem kräftigen Kronenfortsatz (Processus coronoideus) ausgestattet. Obwohl es im Gebiss des Tigers, als auch bei allen anderen Felidae, zu gewissen genetischen Unregelmäßigkeiten (charakteristisches fehlen von Zähnen zum Beispiel) kommt, möchte ich jedoch auf diese nicht näher eingehen.

Beginnen wir bei den wohl auffälligsten Zähnen, den Caninae oder Eckzähnen. Sie können im Durchschnitt eine Länge von etwa 70mm und mehr (bis 90mm) erreichen. Dieses Maß bezieht sich auf die Länge von der Zahnspitze bis zum Alveolenrand. Mit Alveolenrand ist der Austrittspunkt des Zahns aus dem Kiefernknochen gemeint, in den die Zähne eingebettet sind und der auch als Zahnfächer bezeichnet wird. Die sichtbare Länge ist etwas geringer, da Alveolenrand und Zahnfleischrand natürlich nicht überein stimmen.

Die oberen Reißzähne sind konisch und leicht nach innen gerichtet. Ihre Länge kann bei ausgewachsenen Tigern 37mm und mehr betragen. Ein Beispiel für solch einen Zahn ist der Pm4.die Paracon die Größte und auch die Mittlere ist. Bei anderen Großkatzen ist das Zahnschema sehr ähnlich. Die rechte Abbildung zeigt die Ansatzflächen des Muskeln und die Muskulatur selbst. Wie man an den sehr großen Backenmuskeln sieht, kann ein Tiger einen sehr hohen Zubeißdruck, im Bereich von mehreren Tonnen, entwickeln.

Die Pendants zu den Reißzähnen des Oberkiefers sind sowohl etwas kleiner als auch stärker nach innen gebogen und erreichen Längen um 28mm. Diese sind, ebenso wie die Reißzähne im Oberkiefer, an den Seiten abgeflacht haben aber statt drei nur zwei Spitzen, die Paraconid und Protoconid genannt werden. Ein Bespiel für einen solchen Zahn wäre der M1. Es muß noch ausdrücklicht gesagt werden, daß die Reißzähne nicht die Eckzähne sind, da dies eine relativ häufige Verwechselung ist.

Das gesamte Zahnsystem des Kiefers arbeitet, umgangssprachlich ausgedrückt, nach dem Brech-Scheren-Prinzip, daß durch die enorm kräftige Kiefermuskulatur natürlich unterstützt wird. Der Zubeißdruck den ein erwachsener Tiger erreichen kann liegt im Bereich von mehreren zehn Tonnen (punktuell). Diese Kraft reicht aus um beispielsweise den Femur (Oberschenkelknochen) eines Rindes zu zerbeißen.


Dies ist der Eckzahn eines mittelgroßen Tigers.
Mit 7cm (Abb. 1:1) liegt seine Größe gut im Mittelfeld, da sehr
große Exemplare die 9cm überschreiten.
 
dentologische Fachbegriffe:

(die meisten Begriffe sind auch in der Humanmedizin gebräuchlich)

  • Vorbackenzahn = Prämolar (Pm)
  • Backenzahn = Molar (M)
  • Fang-/Eckzahn = Canini (Plural: Caninae)
  • Schneidezahn = Inzisivus (Plural: Inzisivae)
  • Parastyl, Paracon, Metacon = Spitzen von Zähnen (oben)
  • Paraconid, Protoconid = Spitzen von Zähnen (unten)
  • Diastema = leerer Zwischenraum zweier Zähne

Zahnformel des Tigers:

3.1.3.1
Zahnformel = = 30 Zähne
3.1.2.1
  • die Zahlformel gibt die Zähne pro Kieferhälfte an, da die beiden Hälften symmetrisch sind
  • im Klartext: Im Oberkiefer gibt es zwei mal drei Inzisivae, ein Canini, ein Diastema, drei Prämolare und einen Molar;
  • im Klartext: Im Unterkiefer gibt es zwei mal drei Inzisivae, ein Canini, ein Diastema, zwei Prämolare und einen Molar;
  • das Diastema des Oberkiefers ist zwischen den Inzisivae und den Caninae; das des Unterkiefers zwischen Caninae und Prämolaren
    Warum? Andernfalls könnte der Tiger seinen Mund nicht schließen, da die langen Eckzähne bei geschlossenem Mund in diesen Diastema liegen
 

Wie das aller Raubtiere ist das Tigergebiss darauf optimiert die Beute fest zu halten und nach dem Töten Stücke aus dem Körper der Beute herauszureißen. Zu erwähnen ist noch, daß Raubtiere ihre Kiefer "nur" auf und ab und nicht seitwärts bewegen können.


Dies ist die Frontalansicht eines Tigerschädels.
Sehr schön kann man hier das Diastema erkennen
und wie die vier Eckzähne ineinander greifen.


In dieser lateralen Ansicht an kam sehr schän auch
die Backenzähne und deren Zusammenspiel erkennen.

Diese Ansicht zeigt uns das Tigergebiss so wie wir
es auch sehen wollen, am lebenden Tiger. Sehr
schön ist auch die Zunge zu erkennen.

Auf den obigen Darstellung kann man sehr gut erkennen wie das Tigergebiss wirkt und wie es aufgebaut ist. Wie schon erwähnt ist es nicht dafür ausgelegt Knochen durch Scherung zu brechen, sondern tief in die Beute einzudringen und große Stücke aus dem Körper zu reißen. Auf der rechten Abbildung kann man auch sehr schön erkennen wie breit die Zunge im Vergleich zum Abstand der unteren Caninae ist.


a=Zahnschmelz; b=Dentin; c=Zement; d=Wuzelhaut, e=Pulpa

Der Aufbau der Zähne eines Tigers haben den gleichen Aufbau wie die Zähne des Menschen und aller anderen Säugetiere. Dies hat natürlich auch zu Folge, daß auch Tiger an den gleichen Zahnkrankheiten leiden wie wir. Dies wären Karies oder Parodontitis. Nachfolgend möchte ich deswegen gerne auf den Aufbau der Zähne im Allgemienen kuz eingehen.

Der Zahn ,lat. Dens, ist ein Einzelsegment des Gebisses eines Wirbeltieres. Er wird in drei Bereiche, die sichtbare Krone, die Wurzel und der dazwischeliegende Zahnhals, unterteilt. Mit den Wurzeln lagert der Zahn im Alveolarfortsatz (Zahnfach) des Kiefers und wird über das Periodontium (Wurzelhaut) mit dem Knochen befestigt. Im Innern des Zahnes nimmt ein Hohlraum die Pulpa (Zahnmark) auf. Diese besteht aus Gefäßen und Nerven, die an den Wurzelspitzen austreten. Der größte Teil des Zahnes wird vom Dentin (Zahnbein) gebildet, das zu einem Viertel bis Drittel aus lebender Substanz besteht. Bei Reptilien und Sägetieren ist die Krone vom Zahnschmelz überzogen. Dieser besteht fast ausschließlich aus anorganischer Substanz und bekommt durch Fluorverbindungen eine außerordentliche Härte. Die Zahnwurzel ist von Knochensubstanz, dem Zement überzogen. Mit Ausnahme der Säugetiere, werden bei allen Wirbeltieren die Zähne ständig ersetzt. Dieser dauernde Zahnwechsel nennt sich Polyphyodontie. Wie beim Tiger, findet bei fast allen Säugetieren lediglich einmal im Leben ein Zahnwechsel statt, die sog. Dyphyodontie. Nach Stellung und Aufgabe der Zähne unterscheiden sich diese auch meist in ihrer Form, wie oben beschrieben.

Hier ist einer der wohl schmerzhaftesten Verletungen an der ein Tiger oder anderes Säugetier (vor allem Carnivoren) leiden können. Der von hier gesehene rechte untere Fangzahn ist abgesplittert (gebrochen) und man kann sogar die Nerven sehen. Bei einem Tiger wird eine solche Verletung wie beim Menschen behandelt, der Zahn wird wieder mit Zement oder anderen Stoffen aufgebaut oder muß gezogen und gegebenenfalls ersetz werden.

Der Gebiss des Tigers weist auch hin und wieder interessante Abweichung von der normalen Zahnformal auf. Meist sind diese Abewichungen auf den Oberkiefer beschränkt, können jedoch in einzelen Fällen auch im Unterkiefer vor kommen. Das Gebiss des Tigers hat sich bedingt durch eine evolutionäre Entwicklung immer mehr spezialisiert. Der erste Molar im Oberkiefer (M1) fehlt aus statistischer Sicht recht häufig. Obwohl dieser Zahn recht klein sein sollte, kann es vorkommen, daß wenn er vorhanden ist auch durchaus von enormer Größe (im Gegensatz um normalen Molar) ist. Aus stammesgeschichtlicher Sicht der Felidae hat dieser Zahn aber kaum funktionelle Bedeutung im Kiefer und wurde wohl auch deswegen seit Jahrhunderten immer mehr zurückgebildet. Es scheint sich also um einen Atavismus zu handeln, da nach dem Dollo'schen Gesetz keine Entwicklung zu breits schon einmal ausselektiertem geschieht, wo bei dieses Gesetz heute immer mehr in Frage gestellt wird. Ebenso wie der M1 kommt es vor das der erste Prämolor des Oberkiefers (Pm2) fehlt. Vom indischen Tiger ist ein sehr seltes Phänomen bekannt. daß den Unterkiefer betrifft. Hinter dem Reißzahn (M1) existiert dann eine kleine Zähnhöhle die auf einen überzähligen Molar (M2) hinweisen und symmetrisch im Unterkiefer (also hinter beiden Reißzähnen) vorhanden sind. Dieses Phänomen wurde vom deutschen Professor Max Hilzheimer 1905 beim indischen Tiger beschrieben. Es ist anzunehmen, daß andere Tigerarten ebenfalls diese Eigenheit ausprägen - stammesgeschichtlich bedingt.

Weitere Darstellungen des Tigergebisses und des Schädels findet man in den jeweilen Bereichen hier in der Anatomie Rubrik.Auf jeden Fall kann ich noch die Sektion Tigerskelett (oben auswählen) empfehlen, da hier auch weitere Zusammenhänge dargestellt werden.

Als letztes zu diesem Thema möchte ich den Unterschied zwischen den Geschlechtern ansprechen, denn meine bisherigen Ausführen bezogen sich nur auf männliche Tiger. Im Großen und Ganzen gilt für die Tigerinnen das Selbe wie für die Tiger, mit Einschränkung bei den Dimensionen. Man kann allgemein von einer Reduktion aller Maße um bis 20% bei den Tigerinnen sprechen. Ich möchte es mir hier allerdings sparen die Abmessungen explizit anzugeben.

Falls es noch weitere Fragen gibt, kann man mir hier einfach eine EMail schreiben:


© 2002 by Marc "Sesshoumaru" Meiner